Gestern
steuerte er wieder einen Treffer zum 8:1 Erfog seiner Senioren bei,
morgen wird er wahrscheinlich im Stadion an den Sander Tannen sein,
um die 1. Herren beim Spiel gegen den Willinghusener SC anzufeuern
und am Montag engagiert er sich wieder beruflich für Migranten.
„85live- die Elsternpost“ sprach mit Yasar Civelik:
Elsternpost: Hallo Yasar, Du spielst
beim ASV Bergedorf 85 im Seniorenteam und bist Fan der
Liga-Mannschaft der Elstern. Seit wann bist Du Fan von Bergedorf 85?
Wie und warum bist Du zu den Elstern gekommen?
Yasar Civelik: Im August 2012 bin ich
mit meiner Familie aus beruflichen Gründen von Hannover nach
Bergedorf gezogen und ehe ich mich versah war ich im September schon
in den Verein eingetreten, damals noch beim FC Bergedorf 85, und
spielte fortan bei den Senioren.
Ich denke das Fandasein hat sich
hieraus sofort entwickelt, die Leidenschaft zum Fußball überträgt
sich sofort auch den Verein. Darüber hinaus bin ich schon unbewusst
im eigenen Haus auf zwei Elstern gestoßen. Unter dem Dach wohnen
nämlich, sozusagen auf dem Dachboden, zwei absolute Elsternfans. Zum
einen Andy L. und zum anderen Chester (Hund von Ingo A.) die beide
glühende Elsteranhänger sind. Wie der Zufall es wollte, spielte ich
dann mit Ingo in einer Mannschaft (jetzt ist aber auch mal Schluss
mit dem Namen Jonglieren). Somit war ich durch Andy, Ingo und Chester
direkt an der Ur- und Wissensquelle des ASV Bergedorf 85 gelandet.
Danach gab es dann auch keine andere Möglichkeit als sich diesem
tollen Verein anzuschließen, alles andere außer den Elstern wäre
Blödsinn gewesen.
Elsternpost: Bei den Spielen von 85
stehst Du in der Kurve. Du gehörst dem „Anhängerclub des ASV
Bergedorf 85“ an. Ihr macht richtig Stimmung bei den Spielen. Fast
so wie in einem Profi-Stadion. Warum supportest Du/ Ihr einen
Amateurclub, der in letzte Saison noch dazu in der untersten
Spielklasse kickte?
Yasar Civelik: Die Erste Mannschaft ist
immer das Aushängeschild des Vereins, für mich galt dann schon
immer diese Mannschaft als Vereinsmitglied total zu unterstützen.
Dabei spielt es keine Rolle ob die Mannschaft in der Kreisklasse oder
Oberliga kickt. Amateurfußball ist faszinierend, die Stimmung
emotional und ehrlich. Hier wird noch richtig Fußball gearbeitet und
Spaß am Spiel vermittelt. Ich muss allerdings sagen, was ich bei den
Elstern vorgefunden habe an aktiver Fankultur ist einfach einzigartig
und nicht zu toppen. Da wird man gleich mit in den Sog gezogen und
zack biste mit dabei und machst Stimmung. An guten Tagen können sich
einige Bundesligisten noch was abschauen von unserer Truppe
(insbesondere in der zweiten Halbzeit).
Elsternpost: Im Anhängerclub sind auch
einige Mitstreiter des „Cafe´Flop – unser Haus e.V.“, ein
selbstverwaltetes unkommerzielles Jugendzentrum in Bergedorf. Du
selber bist Sozial-Pädagoge und engagierst Dich bei „MIA e.V. –
Migranten in Aktion“. Bevor wir auf die Tätigkeit bei diesem
gemeinnützigen Verein zu sprechen kommen, was ist Deine „Triebfeder“
für dieses soziale Engagement?
Yasar Civelik: Um
das einmal ins rechte Licht zu rücken, bei meinen Freunden vom Cafe
Flop (und auch bei den Anhängern die von dort kommen) bin ich Yasar
und kein Sozialarbeiter. Dennoch finde ich das soziale Engagement von
„Unser Haus e.V.“ großartig. Ich selbst beziehe meine Motivation
für mein Engagement für die Sache aus meiner eigenen Historie, d.h.
es ist sicherlich auf meinen persönlichen Lebensweg, mit seinen
Höhen und Tiefen, zurückzuführen. Meine Migrationserfahrungen, die
ich erleben durfte spielen dabei eine tragende Rolle. Ich bin ein
sehr sozialer Mensch und helfe gern. Darüber hinaus setze ich mich
mit Passion für die Gleichstellung und die Rechte von Menschen mit
Handicaps ein.
Elsternpost: Was macht MIA, warum wurde
dieser Verein gegründet? Was sind Deine Tätigkeiten dort?
Yasar Civelik: Meine Aufgaben in
diesem Verein sind vielfältig und die Tätigkeiten weit gestreut.
MiA e.V. ist seit Anfang 2009 ein
anerkannter Betreuungsverein in Hamburg, der sich primär auf die
rechtliche Betreuung von Menschen mit Migrationshintergrund
fokussiert. Hier bin ich Hauptamtlich beschäftigt, bin
Gründungsmitglied des Vereins und Teil der dreiköpfigen
Geschäftsführung. Meine hauptamtlichen Beschäftigungen liegen im
Bereich der rechtlichen Betreuung und den sogenannten
Querschnittsaufgaben von anerkannten Betreuungsvereinen, welche
seitens der Hamburger Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz
finanziell gefördert wird. MiA will und soll den bestehenden Bedarf
an rechtlicher Betreuung und an den Querschnittsaufgaben von und mit
Migranten in der Hansestadt Hamburg professionell und integrativ
abdecken.
Ist jemand aufgrund einer psychischen
Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen
Behinderung nicht mehr in der Lage, bestimmte Angelegenheiten zu
besorgen, bestellt das Betreuungsgericht gemäß § 1896 BGB einen
Betreuer. Dieser vertritt den Betreuten rechtlich im Rahmen des
gerichtlich festgelegten Aufgabengebiets. So übernimmt er
beispielsweise die behördlichen Angelegenheiten sowie die
Vermögenssorge und Gesundheitssorge. Bundesweit sind für etwa 1,2
Mio. Menschen als rechtliche Betreuer bestellt; in Hamburg werden
derzeit etwa 24.000 Menschen rechtlich betreut. Etwa die Hälfte von
diesen Menschen werden von ehrenamtlichen Helfern betreut.
Zu den Querschnittsaufgaben gehört
u.a. die planmäßige Bemühung um die Gewinnung ehrenamtlicher
Betreuer (Migranten und Einheimische), sie in ihre Aufgaben
einzuführen, fortzubilden und bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu
beraten und unterstützen. Außerdem informieren wir planmäßig über
Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen.
In Deutschland gibt es insgesamt 830
Betreuungsvereine und lediglich 2 Betreuungsvereine, die
zielgruppenorientiert wie wir arbeiten. Ein spezielles Angebot für
Migranten ist für uns unbedingt erforderlich gewesen und sollte auch
zukünftig noch engagiert ausgebaut werden. Allein die Zahlen zeigen
klar das Defizit auf. Einen Betreuungsverein mit Fokus auf Menschen
mit Migrationshintergrund in den Hamburger Regeldienst zu
implementieren - das war unser Weg. Der Hamburger Weg.
Puh, das war jetzt der aber
anstrengend, ich hoffe ich habe da jetzt nicht einen zu weiten Bogen
gespannt.
Elsternpost: 2014 wurde Eure Tätigkeit
gewürdigt. Ihr habt einen Förderpreis gewonnen. Wie kam es dazu und
wie wichtig ist es für Euch auch mal bundesweite Aufmerksamkeit und
Anerkennung zu bekommen?
Yasar Civelik: Der Förderpreis des
Betreuungsgerichtstages für Innovation und Netzwerkarbeit im
Betreuungswesen 2014 wurde für unser Modellprojekt "Verbesserung
der sozialen Integration von Menschen mit Migrationshintergrund im
System der rechtlichen Betreuung in Hamburg" verliehen. Der
Förderpreis wurde im Andenken an Lothar Kreyssig verliehen. Als
Vormundschaftsrichter in Brandenburg/Havel trat er dem Willkürregime
des Nationalsozialismus entgegen und verhinderte den Mord an
behinderten Menschen in seinem Gerichtsbezirk.
Die bundesweite Aufmerksamkeit und
Anerkennung hat uns natürlich sehr gut getan und auch neue Türen
eröffnet. So haben wir, z.B. vom Paritätischen Wohlfahrtsverband
Hamburg, bei welchen MiA e.V. Mitglied ist, die Anfrage für neue
Projekte rund um die Flüchtlingshilfe erhalten und sind auch schon
dabei hier konkrete Konzepte und Finanzierungspläne zu erstellen
bzw. einzureichen.
Elsternpost: In der jetzigen Zeit ist
das Thema „Flüchtlinge“ wieder prominent und leider immer noch
manchmal negativ besetzt. Wie ist Deine persönliche Erfahrung, musst
Du Dich oft rechtfertigen, warum Du Dich für Migranten einsetzt? Wie
tretest Du „Stammtischparolen“ entgegen bzw. verstehst Du auch
Ängste und Sorgen von Bürgern, die dicht an einem Flüchtlingsdorf
wohnen?
Yasar Civelik: „Wat mutt, dat mutt“
sagen wir in Hamburg und genau so stehe zur aktuellen Situation in
der Flüchtlingshilfe. Weltweit sind es knapp 60 Millionen
Flüchtlinge und derzeit werden etwa 85% von armen bzw. ärmeren
Ländern aufgenommen. Die Fluchtbewegungen und hohen Zahlen von
Flüchtlingen stellen Deutschland und Europa vor sehr große
Herausforderungen. Auch in Hamburg kommen derzeit täglich hunderte
neuer Flüchtlinge an, welche versorgt und untergebracht werden
müssen. Es ist unsere menschliche Pflicht, den Menschen, welche vor
Krieg und Verfolgung fliehen, zu helfen. Und es erfreut mich sehr,
dass derzeit eine sehr große Hilfsbereitschaft unter den
Hamburgerinnen und Hamburgern zu beobachten ist.
Das Thema „Ängste und Sorgen von
Bürgern“ haben wir beispielsweise durch die Aktivitäten in
Dresden zur Genüge erlebt und diskutiert, ich halte da nicht viel
von. Jakob Augstein vom Spiegel schrieb vor kurzem in einem Artikel
„Doch kaum steigt die Zahl der Flüchtlinge, zeigt der hässliche
Deutsche wieder seine ausländerfeindliche Fratze“. Leider haben
wir auch solche Menschen in Deutschland, das verbuchen wir dann
einmal unter der Meinungsfreiheit, die in Deutschland gilt.
Meine Sorge gilt vielmehr der
lagerartigen Unterbringung der Menschen und den ausländerfeindlichen
Gefahren von Innen und Außen. Massenunterkünfte sind
menschenunwürdig und besonders für Frauen und Kinder eine
unhaltbare Form der Unterbringung. Ob Bürger nun dicht an einer
Flüchtlingsunterkunft oder z.B. an einer Massenunterkunft wo
Obdachlose oder Drogenabhängige untergebracht werden wohnen, macht
keinen Unterschied.
Elsternpost: Kommen wir zum Sport
zurück. Fußball kann auch eine gute Integrationshilfe sein. Gibt es
Aktivitäten vielleicht sogar schon beim ASV Bergedorf 85 in diese
Richtung?
Yasar Civelik: Anfang des Jahres hatten
wir bei einem Treffen mit Freunden vom Anhängerclub, Spieler und
Jugendleiter vom ASV 85 über den FC Lampedusa gesprochen und
überlegt, ob man nicht bei uns Aktionen oder sogar Projekte ins
Leben rufen kann, um Geflüchteten die Möglichkeit der Teilhabe zu
ermöglichen. Spaßeshalber sagte ich noch „Wenn sich Einheimische
für so eine schöne Sache starkmachen bin ich als Migrant natürlich
auch dabei“. Nicht viele werden es wissen, dass beim ASV 85 ein
Runder Tisch ins Leben gerufen wurde. Hier sollte ein regelmäßiger
Austausch u.v.m. nach unserem ASV 85 Motto „Tradition verbindet“
stattfinden. Leider ist das etwas eingeschlafen und seit längerer
Zeit haben keine Treffen mehr stattgefunden. Hier wurde mal das Thema
Flüchtlinge eingebracht, allerdings mit wenig Resonanz und offene
Ohren. Wahrscheinlich sind wir beim ASV 85 noch nicht soweit.
Elsternpost: Du selber hast einige Male
bei den Senioren gespielt und sogar ein Tor erzielt. Wie ist Deine
Fußballsozialisation verlaufen?
Yasar Civelik: Leider stimmt das nicht
so ganz! Letzte Saison habe ich bitteschön mindestens 2 Kopfballtore
und auch einige mit dem Fuß geschoßen. Ich bin 1965 in Lübeck
geboren. Da mein Vater Eisenbahner war und wir direkt am Sportplatz
wohnten bin ich 1972 beim Eisenbahner SV Lübeck eingetreten. Damals
spielte ich mit der Rückennummer 9 und der Kapitänsbinde im Sturm.
Als B-Jugendspieler bin ich dann zum 1. FC Phönix in die
Bezirksklasse gewechselt. Der 1. FC Phönix ist ein Lübecker
Traditionsverein und wer kennt ihn nicht – Peter Nogly war der
ganze Stolz von Phönix. Ich muss gestehen, dass ich hier mehr
Einsätze auf der Bank hatte als auf dem Spielfeld. Mit 18 bin ich an
Diabetes erkrankt. Damals haben meine Ärzte geraten mit dem
Leistungssport, Alkohol und Nikotin aufzuhören. Die Fußballschuhe
hab ich dann zu Seite getan. Heute ist das anders. Diabetiker dürfen
und sollen sogar Sport treiben. Zwecks Studiums bin ich 1998 nach
Hannover gezogen. So kam es dann, dass ich mit 36 Jahren bei der 3.
Herren von Hannover 96 mitkickte und ein Jahr später bin ich dann zu
der Ü32 Mannschaft von SG Limmer gewechselt (Ach ist die Welt klein:
Bei der Gastmannschaft von SG Limmer „Can Arkadas“ hat unser Paul
Schäfer mitgekickt) und hab dort bis zum Umzug nach Hamburg gekickt.
Elsternpost: Die Elstern müssen sich
nach dem Aufstieg in der Kreisliga zurechtfinden. Was erwartest Du
von der neuen Saison?
Yasar Civelik: Was das Trainerteam rund
um Jörg Franke auf die Beine gestellt haben hat Hand und Fuß. Was
unterm Strich dann am Ende der Saison herauskommt müssen wir
abwarten.
Elsternpost: Zum Schluss kommt die gute
Fee zu Dir und fragt Dich nach Deinen drei wichtigsten Wünschen….
Yasar Civelik: Eine gesunde Familie,
ein Fußball und mindestens 11 Freunde
Elsternpost: Vielen Dank für das
Interview !!!
Fotos: Yasar Civelik (privat) und Werner Heitmann