Dramatiker wie z.B. der Schweizer
Friedrich Dürrenmatt fänden Gefallen an den letzten Monaten. Für
85-Fans war es der Tiefpunkt schlechthin. Der Reihe nach:
Trainer Olaf Poschmann verbrachte seine
Sommerpause mit Fußball, präziser mit Bergedorf 85. Zwar wurde man
zusammen Vizemeister der höchsten Hamburger Amateurliga, doch nach
einer wiederholten Farce in Sachen Regionalligameldung, verließen
fast sämtliche Leistungsträger den Verein. Hinschmeißen oder
Kämpfen ? Diese Frage stellte sich der junge Trainer und entschied
sich für Letzteres. Ohne viel Geld wurde um die verbliebenen
Stammkräfte (u.a. Schmer, Marth, Bugrov, Kunath) versucht eine
Mannschaft aufzubauen. Jedem war klar, dass es sportlich eine sehr
schwere Saison werden würde. Doch die Stimmung im Umfeld und bei den
Fans war gut. Man vertraute dem Team (Poschmann, Menger, Prahl).
Das Auftaktmatch in Niendorf ging knapp
mit 1:2 verloren und unter der Woche schied man in Meiendorf aus dem
Pokal aus. Dem Autor dieser Zeilen ist noch ein kurzer
Halbzeitplausch mit dem Sportlichen Leiter Florian Menger in
Erinnerung. Vor dem Hintergrund der doch dürftigen Leistungen der
Spieler fragte ich: „Na, die Fans müssen diese Saison wohl viel
Geduld aufbringen..“ Die knappe Antwort: „Nicht nur die Fans!“
Eine Vorahnung auf das was da kommen
sollte?.
Die Heimpremiere gegen Nachbar
Curslack wurde dann zum Fest und Tristesse zugleich. Fast 1000
Zuschauer an den Sander Tannen. Unter ihnen Bergedorfs
Bezirksamtsleiter, der den neuen sozialen Ansatz von Bergedorf 85
(Gesellschaftliche Verantwortung durch lokale Patenschaften mit
gemeinnützigen Organisationen) ausdrücklich begrüßte und
unterstütze- 2000 Euro konnten übergeben werden.
Auf dem Platz ging 85 unter großen
Jubel in Führung, baute dann mehr und mehr ab und verlor gegen am
Ende nur das Nötigste tuende Henke-Team mit 1:4.
Zum nächsten Spiel ging es an die
Flurstraße zum Aufsteiger Lurup. Spätestens nach dem 1:5 wurde laut
nach neuen Spielern gerufen. Doch die Sportliche Leitung blieb ruhig
und sprach im Vorwort der Stadionzeitung zum nächsten Heimspiel
gegen den Meiendorfer SV ausdrücklich dem aktuellen Team das
Vertrauen aus. Nachdem auch diese Partie mit 0:2 verloren ging, kam
es im Mannschaftskreis zu einer großen Aussprache. Mit den Fans kam
es bei einem großartigen Grillabend zu einer Art Verbrüderung. Alle
schworen sich auf einen sportlichen Neubeginn ein. Als Zeichen
gingen Spieler und Offizielle fast geschlossen zur anstehenden
Mitgliederversammlung, auf der der neue 1. Vorsitzende gekürt werden
sollte. Die Wahl wurde schnell abgehakt. Beste Voraussetzungen für
das Spiel am Sonntagmorgen an der Brucknerstraße. Doch die Nacht
sollte dramatisch werden. Nach einem Einstandsgespräch zwischen
Sportlicher Leitung und neuem Vorsitzenden war die Elsternwelt nicht
mehr die selbe. Die Menschen, die eben noch die Hand für den
Vorsitzenden hoben, waren auf einer Sekunde auf die nächste
anscheinend wie vorm Kopf gestoßen. Noch in der Nacht wurde Trainer
Poschmann von den Ereignissen in Kenntnis gesetzt, der die Stunden
bis zum Anpfiff bei Paloma sicherlich nur noch wie Trance erlebte.
Unter Tränen wurde dann vor Ort das Spiel von der Mannschaft
abgesagt. Ein Novum in der Oberliga Hamburg.
Es folgte eine Woche der zweifelhaften
Medienpräsenz, einem sofort verfügbaren und präsenten neuen
Manager B. Tinas sowie einen fast ebenso schnell verpflichteten
neuen Trainer Berkan Algan.
Dieser musste den Abgang weitere
Stammspieler verkraften und mit einer Rumpftruppe zum Heimspiel gegen
Rugenbergen antreten.
Vor dem Spiel zeigten die Elsternfans
eindrucksvoll, was sie von den Geschehnissen hielten: Sie
kanalisierten ihre Wut und zogen mit selbst gefertigten Transparenten
auf das Spielfeld. Das haben die Sander Tannen noch nie gesehen.
Das Spiel ging knapp mit 0:1 verloren.
Doch bereits im zweiten Spiel des Berkan Algan sollten sensationell
die ersten Punkte eingefahren werden. Der Spieler der Saison
2010/2011 Yaryar Kunath schoss 85 zum Sieg, den selbst der „Barmbeker
Pöbel“ beklatschte.
Die Wende?
Die Ernüchterung folgte auf dem Fuße.
Gegen Bramfeld setzte es eine derbe 1:4 Niederlage und im neunten
Saisonspiel kam es in Schnelsen zu einer 1:5 Pleite. Trainer Algan
reagierte und zog von seiner ehemaligen Wirkungsstätte , der Insel
Sylt, einige junge Spieler an Land, die dann auch wesentlichen Anteil
am ersten Heimsieg der Saison hatten. 2:1 hieß das Ergebnis gegen
Halstenbek Rellingen auf dem grünen Rasen. Wie gewonnen so
zerronnen. HR legte Protest ein. 85 hatte zwei nicht spielberechtige
Akteure eingesetzt. Obwohl wohl eine mündliche Zusage des Verbandes
vorlag, gingen die Punkte am grünen Tisch herüber nach
Schleswig-Holstein.
In den kommenden Wochen gab es eine
Annährung zwischen Teilen der Fans (viele andere treue Elsternfans haben sich bis auf Weiteres nach wie vor angewidert vom Treiben beim FCB von diesem losgesagt und wünschen sich Fußball wieder beim ASV Bergedorf 85) und dem Vorstand des FCB durch
Mittwochsgespräche auf den Kunstrasenplätzen. Der
Stimmungsumschwung schien perfekt, als Bergedorf in der letzten
Sekunde das Traditionsduell gegen Altona egalisierte. Doch nicht nur
die folgende 2:7 Schlappe in Farmsen ließ keine endgültige Ruhe
aufkommen. Zu dieser Zeit nämlich kamen wohl Manager Tinas und der
Trainer des vom Spielbetrieb ausgeschlossenen GSK Bergedorf ins
Gespräch. Hakan Karadiken sollte als Co-Trainer oder selber als
FCB-Manager agieren. Anscheinend fanden die Gespräche ohne Kenntnis
Berkan Algans statt. Sportlich gab es zumindest einen Punkt zuhause
gegen den VFL Pinneberg, außerhalb des Platzes entwickelte sich in
Anlehnung des Dürrenmatt Dramas „Der Besuch der alten Dame“ ein
unwürdiges Schauspiel zwischen Berkan Algan alias „Alfred
Güllener“ und Hakan Karadiken alias „Claire Zachanassian“.
Hakan setzte geschickt seine
Verbindungen zu Sponsoren ein, um den Trainerposten von Berkan zu
bekommen frei nach dem Dürrenmatischen Motto: Entscheidet Euch. Er
oder ich. Wenn ich, Hakan es werde, dann verspreche ich dem klammen
Verein neue Spieler und Sponsoren.
Die Versuchung ist groß, da das Geld
knapp. Die Stromrechnungen an den ASV können nur mit Mühe und nach
Mahnungen bezahlt werden, der Trikotsponsor „Tarifcheck 24“ hat
die Zusammenarbeit aufgekündigt ("Hätten
wir vorher gewusst, was alles passieren wird, hätten wir unseren
Namen nicht dafür hergegeben"
).
Erst
jetzt gibt es für Trainer Berkan Algan ein längst fälligen
Treueschwur vom Vorstand. Gibt sich „Claire“ damit zufrieden?
Unter
all diesen unrühmlichen Begleiterscheinungen ist es für die Spieler
schwer, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Dabei zeigen sie
, dass sie durchaus konkurrenzfähig sein könnten. Beim
Spitzenreiter Elmshorn zeigte man eine taktische Glanzleistung und
verlor nur knapp, im Derby gegen den SCVM konnte wenigstens gepunktet
werden. Gegen die Spitzenteams Buchholz und Norderstedt war dann
wieder nichts zu holen.
Bilanz:
6 Punkte aus 17 Spielen = letzter Platz.
Da
ein Abstieg des SC Victoria aus der Regionalliga zu befürchten ist,
werden vier Teams aus der Oberliga absteigen.
Der
Rückstand auf einen rettenden Platz beträgt schon 11 Punkte.
Trotz
zur Schau gestellten Optimismus von der neuen „Schicksalsgemeinschaft
Knothe-Algan“, ist ein erstmaliger Abstieg Bergedorfs in die
Sechsklassigkeit realistisch.
Und
wer weiß, was die Dramaturgen für die Rückserie noch so alles
vorgesehen haben..
Bei
aller Dramatik soll mit einem hoffnungsvollen Zitat von Martin Luther
sgeschlossen werden:
„Wenn
ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch
ein Apfelbäumchen pflanzen“
Ob überhaupt oder wer das Bäumchen vielleicht gerade pflanzt, soll der Phantasie der Leser
und Fans von Bergedorf 85 überlassen bleiben.
(
Autor: Tim Scharfenberg alias „tisch“, Redaktion 85live)