Aller guten Dinge sind drei. Das gilt für Vieles. So auch bei Fussballspielen. Hier der letzte Teil der drei-Spiele-drei-Tage-drei-Länder-Tour:
Sonntag, 6.9.: Es ist wirklich zum Mäusemelken. Schon wieder muss ich früh raus. Wirklich ein negativer Nebeneffekt der Fahrerei. Und das alles nur um Fussball zu gucken und dazu noch im Urlaub. Sachen gibts....Schnell ein Tässchen British Tea getrunken und los gehts Richtung Dover. Ich möchte die Frühfähre um 8.10 a.m. nehmen. Daher bringt mich Mace, der very kind Ramsgate Fan, netterweise zum Fährhafen. Gemütlich, sofern das mit nem schweren Koffer geht, schlendere ich in die Empfangshalle und erlebe mein blaues Wunder: Laut der Susi hinterm Schalter könne ich nicht mehr aufs Schiff. Ich hätte ne Stunde früher da sein müssen. Reiseroute geplatzt?, Anschlusszug weg? und deswegen kein drittes Fussballspiel? - Alles steht auf der Kippe, nur weil Seafrance, die Fährgesellschaft, eine unterirdische Informationspolitik betreibt. Normalerweise kann man noch ne halbe Stunde vorher rauf. Bin am Boden! Zum Glück gibts noch eine zweite Fährgesellschaft, P & O, die fast gleichzeitig fährt. Nur draufzahlen muss ich. Echt ärgerlich.
Aber mmerhin: Nach endlosen Pass- Körper- und Taschenkontrollen in einem abgelegenen Hafenlagerschuppen (die Briten habens in Sachen Sicherheit echt drauf), legt die Fähre ab.
Kleines Studium der News of the World, der englischen BamS, (in der ich über Sven Goran Eriksson als neuen Fussballdirektor des Viertligisten Notts County informiert werde), und voller Hoffnung, dass ich meinen Anschlusszug in Calais doch noch bekomme, sehne ich mich dem Kontinent entgegen. Doch es soll wieder anders kommen: Wir Fußpassagiere dürfen erstmal 10 Minuten warten, bis wir rausgelassen werden und dann gibt es, wie auf der Hinfahrt, wieder keinen Shuttleservice. Shit happens. Mir bleibt nix anderes übrig, als mit dem Rollkoffer die 3 km bis zum Bahnhof zu rennen. Sonst wäre alles umsonst gewesen. Keuch, hust, keuch! Für die letzten 500 Meter bleibt keine Alternative, als den Daumen rauszuhalten. Und zum Glück hält gleich der erste an. Sonst hätte ich meinen Zug um 2 Minuten verpasst. Dank des netten Autofahrers, kann ich meine Reise zwar schweißgebadet aber glücklich wie geplant fortsetzen - Richtung Kohlpott Frankreichs, ebenfalls eine Fussballhochburg.
Lille, Valenciennes, Lens - sie alle sind erstklassig! Lille war sogar vor paar Jahren in der Champions League. Nach Lille kommt Kortrijk, also schon Belgien. Dank des Schengener Abkommens muss ich mich dieses mal keiner Leibesvisiation unterziehen. Und mit meinem Interrail-Ticket (eine prima Sache) sind Grenzfahrten sowieso kein Problem. Ein ungeahntes Problem ist dagegen die Sprache. Plötzlich ist alles auf Holländisch, nein, pardon, Flämisch. Keine Spur von Zweisprachigkeit auf den Bahnhöfen. Flamen und Wallonen scheinen wirklich spinne Feind zu sein. "Die Spinnen die..."(Zitat aus "Asterix bei den Belgiern").
Nach einer improvisierten kulinarischen Pause in Kortrijk (es gibt französische Wurst:-), gehts weiter in die Provinz. Die Bahnhöfe werden immer kleiner und deren Namen immer sperriger. "Oudenaade" ist in dieser Disziplin mein Favorit. Irgendwann lande ich in Ronse, wirklich kein Highlight. Irgendwie ist die Stadt tot. Nur im Stadion soll laut Spielplan das runde Leder rollen. Wie ein Doofer ziehe ich mein Koffer durch dieses verschlafene Nest. Links, rechts und dann wieder links. ahh, und da ist es! Ich seh schon die Ordner, in orange. Dummerweise weiß ich nicht, was ich sagen soll. Es ist wirklich verdammt schwierig. Soll ich Deutsch, Englisch, Französisch sprechen, oder versuchen, Holländisch zu immitieren? Ich entscheide mich für Ersteres und werde gleich auf den Gästeblock verwiesen. Der Gegner von Ronse ist nämlich Eupen - eine Stadt an der deutsch-belgischen Grenze und Zentrum des deutschsprachigen Teils von Belgien. Deutsch ist dort wirklich Amtssprache. Man mag es kaum glauben.Na gut, dann eben Gästeblock. Nach sieben Wochen Frankreich endlich wieder von Deutsch sprechenden Menschen umgeben - da kommen Heimatgefühle auf.
Mein Koffer darf leider nicht mit Fussball gucken. Dafür kann er netterweise in der "Kantien", übersetzt Würstchenbude, bleiben. Die AS Eupen (Königliche Allgemeine Sportvereinigung) hat, wie die Elstern, schwarz-weiß als Vereinsfarben gewählt, was natürlich super passt und ich mich daher gleich integriert fühle. 5 Ordner stehen bei uns im Block, allesamt aus Eupen mitgekommen. Das ist Pflicht in der EXQI-League, der belgischen 2.Liga. Zäune, separate Eingänge, gehören ebenfalls dazu, auch wenn der Zuschauerzuspruch nun wirklich nicht so groß ist. Dieser Aufwand erinnert ein wenig an unsere wundervolle Regionalliga, die ach so tolle Erfindung.
Das Spiel ist schon fünf Minuten alt, als ich in den Block komme. Gegenüber steht eine schon etwas in die Jahre gekommene Haupttribüne, die Gegengerade ist größtenteils auch überdacht. Nur wir Gäste hätten im Regen stehen müssen. Neben uns sind die rot-blauen Heimfans, die ihr Team kräftig anfeuern. Deweil plaudere ich mit einem der Ordner. Er erzählt mir, dass die Elf der AS aus vielen berühmten, talentierte Spielern aus ganz Europa zusammengestellt ist. So steht der tschechische U21-Torwart im Kasten, wirbeln Italiener und Franzosen im Mittelfeld und Sturm. Und das bei einem Zweitligisten. Wie das ? Möglich macht das ganze ein italienisches Konsortium, das ne Menge Geld nach Eupen pumpt und den Club in die 1.Liga hieven will.
Ihrem Ruf vom Spitzenteam werden die Ostbelgier gerecht. Bislang noch ungeschlagen an der Tabellenspitze, legen sie, ganz in weiß gekleidet, gut los. KSK Ronse, noch ohne Punkt, kann da nicht viel dagegen setzen. Kurz vor der Pause gibts dann die überfällige Führung. In der Halbzeit geh ich zur "Kantinen" um für Erfrischung zu sorgen. Am Tresen treffe ich auch den Vereinswirt der AS, der mir das Bierchen glatt spendiert und gut gelaunt in die Zukunft blickt. "In paar Jahren spielen wir in der Champions League und hauen die Bayern raus." Da wäre ich sicherlich der letzte, der etwas dagegen hätte. Nebenbei komme ich auf mein heutiges Reiseziel, Aachen zu sprechen. Promt bietet der Wirt mir an, gegen einen kleinen Obulus mit im Fanbus zurück zu fahren. Eupen liegt nämlich nur 17 km von Aachen entfernt. Insgeheim hatte ich mir das schon ausgemalt. Da kann man einfach nicht nein sagen.
Apropos nein: Fritten gibts in der Kantinen leider nicht. Stattdessen haben sie nur Kartoffelchips. Das hat mein Bild der belgischen Küche doch arg getrübt. Die zweite Hälfte hält noch zwei AS-Traumtore bereit, und natürlich eine stimmungsvolle LaOla. Danach gehts Richtung Bus. Der Ronse-Kassierer übergibt mir mi einem großen Lächeln meinen Koffer. Ergebnisse sind eben doch nicht alles im Leben. Die Polizei ist extra vor Ort um, wie früher die Kindergärtnerin, die Straße abzusperren. Ich setze mich auf die Rückbank, zusammen mit den jugendlichen AS-Fans. Im Bus gibts das volle Programm: Bier, Brötchen und Schlagermusik. Da kommen unweigerlich Erinnerungen an die legendären Auswärtsfahrten mit Bergedorf 85 hoch. 2,5 Stunden braucht der Bus bis Eupen - so lange waren wir früher auch nach Meppen unterwegs. Der Jugendliche neben mir, ich glaub er hieß David, erzählt mir vom Belgischen Fussball, dass die Nationalmannschaft sehr schlecht sei (letztens 0-5 gegen Armenien), die Eupener aber nicht für Deutschland die Daumen drückten. Denn Eupen und sein deutschsprachiges Umland würden unter keinen Umständen gerne zu Deutschland gehören - im Gegenteil: Lieber bleiben sie die salopp gesagt "umhegte" Minderheit in Belgien. Und wirklich, es gibt einfach alles auf Deutsch: Staatl. Fernsehn, Radio, Zeitungen, Versicherungen, Gesetzte....für 73.000 Einwohner. Im Bus verfolgen wir die Fussballergebnisse im Radio - ein witziges Gefühl, belgischen Fussball auf Deutsch zu hören. Um kurz vor sieben kommen wir am "Kehrwegstadion", der Heimstätte der AS, an. Hier gibt es auch eine "Fussballkantine" (Vereinsgaststätte), nur da der Wirt mit uns mitgefahren ist, bleibt das gute Stück heute Abend geschlossen. Is auch jut so, denn ich muss die Linie 14 nach Aachen noch bekommen. Auf dem (langen) Weg zur Haltestelle halten zwei Eupen-Fans neben mir und nehmen mich mit runter zur Haltestelle. Wieder Glück gehabt mit den Autofahrern! Ehrlich, die Eupener sind ein nettes Völkchen! Ist schon ein komisches Gefühl, mit einem Linienbus über eine Landesgrenze zu fahren, die man nichtmal sieht, sondern nur am Handynetz den Grenzübertritt bemerkt. Rund 40 Minuten dauert die Fahrt bis in die Domstadt Aachen. Im Dunkeln ist leider nicht viel zu sehen und dummerweise verpasse ich den Bus zur jwd gelegenen Jugendherberge. Aber das macht mir jetzt auch nichts mehr aus. Nach drei Tagen Fussball-Total, tollen Begegnungen, 9 Toren und Dauerbahnfahren, sehne ich mich nach länger Ausschlafen.....und nach den Bergedorfer Elstern! Support your local football club. Cheers, Olli
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